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PRÜFUNGEN

Prüfungen im Karate

Prüfungen dienen in erster Linie der Überprüfung der eigenen Leistungen durch unabhängige Dritte. Sie können Bestätigung der eigenen Einschätzung sein oder aber auch dem Kandidaten deutlich machen, dass er die Worte und Mahnungen seines Lehrers ernster nehmen sollte.


Über die Prüfungszulassung

Für gewöhnlich ist es so, dass der Lehrer über die Prüfungszulassung der einzelnen Kandidaten entscheidet. In der Vergangenheit habe ich jedoch bemerkt, dass die Entscheidungen des Lehrers häufig missverstanden oder als Schikane empfunden wurden.

Der Lehrer hat nicht die primäre Aufgabe, zu verhindern, dass sich seine Schüler der nächsten Prüfung stellen. Dadurch entsteht zumeist nur Frust und Unverständnis. Seine Aufgabe ist es vielmehr, die Schüler auf die Prüfung vorzubereiten, wobei aber das Erreichen der nächsten Graduierung niemals Selbstzweck werden darf. Daher sollte meines Erachtens niemals das Üben des Prüfungsprogramms im Vordergrund des alltäglichen Trainings stehen. Die Techniken und Fertigkeiten, die im Prüfungsprogramm abgefordert werden, sind nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was der Schüler beherrschen muss.

Andererseits sollte der Lehrer aber auch niemals den Schüler durch abruptes Abblocken der nächsten Prüfung vor den Kopf stoßen. Es liegt in seiner Verantwortung, in dem Schüler das Verständnis zu wecken, dass es besser ist, noch ein wenig zu warten, wenn er wirklich noch nicht allen Anforderungen entspricht. In diesem Zusammenhang muss der Lehrer aber auch zugleich für den Schüler erreichbare Ziele stecken, die dieser auf seinem Weg zur nächsten Graduierung bewältigen kann. Dies können auch mehrere Teilziele sein, die erreicht werden müssen. Der Schüler muss spüren, dass er mit jedem erreichten Teilziel seinem Wunschziel, dem nächsten Gürtelgrad, Stück für Stück näher rückt. So wird er trotz des Umstandes, dass er noch nicht an der nächsten Prüfung teilnehmen darf, dennoch seinen eigenen Fortschritt bemerken und nicht frustriert, dem Karate den Rücken zukehren.

Natürlich darf der Lehrer auch ein deutliches "Nein" aussprechen, wenn es um die Frage der Prüfungszulassung geht, aber dies sollte gut überlegt sein, denn dieses "Nein" wird nur all zu oft dazu führen, dass dieses Mitglied für den Verein ein für allemal verloren ist. Niemand wird negativere Propaganda betreiben, als ein enttäuschtes Mitglied, wohingegen man sich keine besseren Werbeträger als zufriedene Mitglieder vorstellen kann.

Die Antwort auf die Frage, ob jemand zur nächsten Prüfung zugelassen wird oder nicht erfordert Feingefühl und einen taktvollen Umgang mit dem Menschen. Kindern gegenüber ist es besser, die positiven Punkte, die bereits erreichten Ziele den eigenen Ausführungen voranzustellen, bevor man die noch verbesserungsbedürftigen Punkte nennt, die es erfordern, dass das Training zunächst noch fortgesetzt wird, denn nach einem "Nein" werden die positiven Aspekte häufig nicht mehr gehört, da sich Traurigkeit oder Trotz im Gemüt des Kindes breit machen und das Ohr verschließen.

Es kann aber in Ausnahmefällen auch durchaus einmal heilsam sein, jemanden "in das offene Messer laufen" zu lassen, indem man ein Mitglied einfach an einer Prüfung teilnehmen lässt. So wird die Auffassung des Lehrers durch einen unabhängigen Dritten - den Prüfer - bestätigt. Vielleicht hört der Schüler ja dann endlich auf den Lehrer.

Allerdings sollte ein derartiges Verfahren nicht den Regelfall darstellen, da auch hier die Gefahr sehr groß ist, das Mitglied endgültig zu verlieren. Nicht bestandene Prüfungen werden häufig als Beweis für die eigene Unfähigkeit angesehen.


Was Prüfungen sind

Prüfungen sind eine Bestätigung des bisher Erreichten. Sie dokumentieren den Fortschritt, den man in seiner Kunst bewältigt. Die farbigen Gürtel im Karate sind auch ein nach außen deutlich sichtbares Zeichen der bisherigen Bemühungen und lassen einen ungefähren Aufschluss über den Fertigkeitsgrad des Trägers zu.


Was Prüfungen nicht sind

Prüfungen sind ganz sicher nicht der Fortschritt, den man macht, sie beweisen letztlich auch nichts. Wie gut oder wie schlecht jemand ist, wird nicht durch den Gürtel, den man trägt untermauert oder belegt. Nein, echtes Können beweist sich selbst und bedarf keiner weiteren Autorität oder Stütze, wie sie von einigen in den Graduierungen des Karate gesehen wird.


Bin ich bereit?

Eine Prüfung bestehen will jeder, aber bin ich auch dazu bereit, die damit verbunden Herausforderungen anzunehmen?

Wenn ich heute mein 18. Lebensjahr vollende, so bin ich heute, an meinem 18. Geburtstag, auch nicht automatisch ein Jahr älter geworden, sondern eben seit gestern nur einen Tag älter geworden. Mit meinem 18. Lebensjahr werde ich volljährig. Damit ergeben sich für mich völlig neue Rechte aber auch zahlreiche Pflichten und ich muss mein Tun und Handeln künftig stärker abwägen und genauer darüber nachdenken, ob es das Richtige ist, was ich zu tun beabsichtige.

Ebenso verhält es sich mit den Prüfungen im Karate. Bestehe ich heute meine Prüfung zum 3. Kyu (Braungurt), so werde ich damit nicht automatisch besser, als ich gestern war. Mit der Prüfung ist mein Dasein als Blaugurt beendet, ich darf nun den braunen Gürtel tragen, aber der Weg, der zum Erreichen dieses neuen Grades erforderlich war, musste ich unter vielen Mühen und Qualen hinter mich bringen. Jetzt muss ich mich der neuen Herausforderung stellen.


Die Graduierung annehmen

Nach Bestehen einer Prüfung bin ich berechtigt, aber auch verpflichtet, den neuen Gürtel zu tragen. Dazu gehört aber auch, dass ich mich des neuen Grades würdig erweise und ständig mein Verhalten kontrolliere. Ein älterer Schüler muss nach unten stets vorbildhaft handeln und nach oben hin achtungsvoll sein, gleichrangigen Schülern gegenüber darf er es nie an Respekt mangeln lassen. Nur so erweist er sich seines Grades würdig. Stets muss er um Fortschritt bemüht sein und darf nie in seinem Bestreben um weitere Verbesserung nachlassen. Das ist es, was man im Karate auch als "Do" bezeichnet.

Dokan - Der Weg ist ein Kreis. Ein guter Schüler des Karate wird wissen, dass er sich nie mit dem Erreichten zufrieden geben darf, dass man ständig weiter trainieren muss.

Immer gibt es jemanden, der besser ist als man selbst. Nie darf ich mich an denen orientieren, die schlechter sind, als ich selbst, immer muss ich mir vor Augen halten, dass diejenigen, die besser sind als ich, ihre Kunstfertigkeit auch erreicht haben und wenn es sie geschafft haben, dann kann ich es auch schaffen. Ständig bin ich im Lernen begriffen. Von guten Schülern kann ich lernen, meine Technik zu verbessern, von schlechten Schülern kann ich lernen, Fehler zu vermeiden.

Ich beginne als Anfänger mit einem weißen Gürtel zu trainieren und lerne die Techniken des Karate. Die Gürtelfarbe wird immer dunkler und schließlich schwarz. Doch dann, wenn ich den schwarzen Gürtel erreicht habe, stehe ich abermals am Anfang und alles beginnt von Neuem, bis sich das Schwarz meines Gürtels wieder in das Weiß des Anfängers umgekehrt hat.


Der Lehrer und der Schüler

Der Lehrer wird mir immer nur den Weg weisen können, beschreiten muss ich ihn selbst.
Der Lehrer kann mir nur meine Fehler aufweisen, berichtigen muss ich sie selbst.
Der Lehrer kann mir Hilfestellungen geben, annehmen muss ich sie selbst.
Der Lehrer kann mir Erklärungen geben, verstehen und umsetzen muss ich sie selbst.

"Wer fertig ist,
dem ist nichts recht zu machen.
Ein Werdender,
wird immer dankbar sein."(Johann Wolfgang v. Goethe)



Verstehen und Verständnis

Verstehst Du, was der Lehrer sagt? - Seine Worte verstehe ich.
Begreifst Du, was der Lehrer sagt? - Ich habe doch verstanden, was er will.
Wirst Du auch tun, was der Lehrer verlangt? - Warum?

Verstehen, Verständnis und Begreifen sind Dinge, die man nur schlecht in Worte fassen kann. Was ich höre, verstehe ich nicht immer, was ich verstehe, begreife ich nicht immer und was ich begriffen habe, wir nicht immer auf meine Gegenliebe stoßen.

Verstehen kann ich nicht mit den Ohren. Mit diesen kann ich nur Hören. Verstehen muss ich mit dem Herzen. Was das Herz versteht, wird der Verstand auch begreifen können. Es gibt Dinge, die man einfach nicht in Worte fassen kann, man muss sie leben, um sie begreifen und erfassen zu können. Darum sage ich, was das Herz versteht, begreift auch der Verstand. Wenn ich meine Kunst liebe, entsteht das Verständnis für die Kunst von selbst, weil ich die Kunst mit Leben erfüllen kann. Liebe ich die Kunst nicht, werde ich sie auch nie verstehen können, da sich ohne Liebe kein Verständnis entwickeln kann. Ist das Herz verschlossen, finden die Worte keinen Weg zum Verstand und plätschern dahin wie das Regenwasser, das kein Woher kein Wohin kennt.

Man kann Karate nicht in Worte fassen und man kann nicht mit Worten lernen. Man muss mit seinem ganzen Körper - mit Herz und Seele hinter seiner Kunst stehen. Alle Mühen und Anstrengungen bedeuten nichts mehr, die Hürden, die es zu überwinden gilt, werden winzig klein, es gibt Nichts, das nicht erreicht werden könnte - doch dazu ist eines erforderlich: Hingabe - und man erhält alles tausendfach zurück. Wer sich selbst aufgeben kann, um für andere dazusein, dem wird dies letztlich immer wieder vergolten und das Leben gewinnt an Sinn und Tiefe.


Wer sein Ziel kennt, kann es auch erreichen.

Das Ziel ist nicht der nächste Grad in einer Kunst. Das Ziel ist der Weg dorthin.
Daher sagen alte Meister auch: Der Weg ist das Ziel.

Karate - wie auch jede andere Kunst - ist so tief, dass man sie doch niemals vollständigen begreifen oder durchdringen kann. Daher kann nur der Weg das Ziel sein, denn zu versuchen, ein Ziel zu erreichen, das nicht erreicht werden kann, käme dem Versuch gleich, einen Brunnen mit einem Eimer ohne Boden leerschöpfen zu wollen.Wer versucht, ein Ziel zu erreichen, das nicht erreicht werden kann, wird frustiert aufgeben. Wer aber versteht, den erwartet ein Leben von bisher ungeahnter Fülle.


Vorführung in Gorden | Lehrgang in Berlin