Sie sind hier: News Archiv 1995  
 NEWS
Archiv 2007
Archiv 2006
Archiv 2005
Archiv 2004
Archiv 2003
Archiv 2002
Archiv 2001
Archiv 2000
Archiv 1999
Archiv 1998
Archiv 1997
Archiv 1996
Archiv 1995
Archiv 1994
Archiv 1993
Archiv 1992
Archiv 1991
Archiv 1990

KYUDO
 

Kyudo kommt aus dem Japanischen und ist die Kunst des Bogenschießens. Dabei wird Kyudo nicht als Sport im eigentlichen Sinne verstanden, sondern mehr als Kunst der Selbstversunkenheit. So muß der Schüler lernen, sich selbst völlig aufzugeben und in den Zustand der "Ich-Losigkeit" zu gelangen. Sind Körper und Geist darauf eingestellt, trifft der Pfeil garantiert das Ziel.


 
 

Der Platz für den großen Wettkampf der Bogenschützen ist fast leer. Gerade mal im Zielbereich, wo für die Meister Papierscheiben und für die Anfänger Strohtonnen aufgestellt sind, verstreuen ein paar junge Arbeiter frischen Sand. Der nicht eingeweihte Zuschauer dieses alten japanischen Spektakels aber schaut nervös auf die Uhr und ärgert sich über die Unpünktlichkeit der Veranstalter. Doch der Wettkampf hat längst begonnen! Die Bogenschützen sitzen unter schattenspendenden Bäumen, falten kleine Papierwinkel und spinnen Schnüre. Das soll alles Böse vom Platz vertreiben. Denn wie bei allen anderen traditionellen asiatischen Kampfkünsten auch, gehört zu einem Wettkampf ein umfangreiches Programm von Ritualen und Zeremonien. Finden die Bogenwettkämpfe nicht im Freien, sondern in einer Wettkampfhalle statt, so wird zuallererst ein kleiner Altar errichtet. Die Bogenschützen widmen ihn dem Schutzheiligen der Krieger. Und bevor die Schützen überhaupt Bogen und Pfeil anrühren, treten sie mit Reis und Salz vor ihren Heiligen und versuchen, ihn mit diesen Opfergaben versöhnlich zu stimmen.

Zu den wohl schönsten Schauspielen des altjapanischen Bogenschießens gehören die Anblicke der "klingenden Sehnen", wenn die Kyudokas mit dem Klang ihrer angerissenen Saiten die "Atmosphäre zu reinigen" suchen.

Schließlich schießen sie dann noch ein paar Pfeile in den Boden, damit sich auch der letzte Makel von den Schützen wenden möge. Diese rituellen Vorbereitungen beim Kyudo genießen höchstrangige Bedeutung.

Treffer sind Nebensache
Dann aber scheint der Wettkampf endlich richtig loszugehen, und der Zuschauer rückt sich in Positur. Wenn er nun aber auf sirrende Pfeile hofft, die Schlag auf Schlag abgeschossen und von den emotionalen Bemerkungen der Schützen begleitet werden, muß er sich eines Besseren belehren lassen: Das Abschießen der Pfeile und schließlich Treffen ist für die Kyudokas nur Nebensache. Viel wichtiger ist ihnen, wie getroffen wird. Denn Kyudo hat wie alle asiatischen Kampfkünste seinen Ursprung im Zen-Buddhismus, einer der drei Strömungen in der buddhistischen Religion. Der indische Wanderprediger Bodhidharma hatte mit seinem Übungssystem eine Grundlage zur körperlichen Ertüchtigung gelegt. Ziel war, über das Studium des Weges der Selbsterkennung zu geistiger Reife zu gelangen. Auf dem "Weg zur unbeweglichen Mitte", so der Zen-Glaube, vereinen die Bogenschützen Atemtechnik, Balance und Konzentration mit dem Erkennen des richtigen Abschußmoments. So ist es regelrechte Trainingsanforderung, Minuten vor dem Schuß in sich gekehrt und still zu verharren, um Körper und Geist total zu beherrschen.

Innere Disziplin, die innere Harmonie des Gedankens und des Körpers sowie technische Perfektion im Moment des Bogenspannens, das ist es, was ein Bogenschütze monatelang lernen muß, bevor überhaupt der erste Pfeil abgeht. Nach 18 Monaten Training darf sich der Schüler dann endlich das erste Mal an einer Zielscheibe versuchen.

Pfeil und Bogen waren für die alten japanischen Schützen lediglich "Hilfsmittel", um sich der geistigen und körperlichen Kräfte bewußt zu werden. Den Akt des Abschießens eines Pfeiles sahen sie nur als den spektakulären Effekt des Bogenschießens an.

Asymmetrische Bogen

Bei großen Wettkämpfen tragen die Bogenschützen auch heute noch die traditionellen Gewänder der Kyudoka: Kimono, schwarzer Hosenrock (Hakama), Leinenschuhe und verschiedene Gürtel. Und sie bedienen sich mit Vorliebe des alten Samurai-Bogens. Er besteht aus mehreren Schichten von gespannten Hölzern, auch aus Bambusschichten, die sorgfältig zusammengeklebt wurden. Ähnlich wie bei den Samurai-Schwertern genossen auch die japanischen Meister der Bogenherstellung hohes Ansehen. Sie gaben die Geheimnisse ihrer Kunst nur der eigenen Familie preis.

Ursprünglich soll die Sonnengöttin den kunstvollen Bogen geformt haben. Vor langer Zeit, als die Menschen auf der Erde unter der Kälte litten und Bittgebete an die Götter richteten, erbarmte sich die Sonnengöttin, die ihnen helfen und gleichzeitig die Nachgottheiten ärgern wollte. Sie konstruierte einen Bogen aus den Knochen eines gewaltigen Drachens, nahm als Sehne ein Stück Morgenrot und schoß einen Sonnenstrahl in Richtung Erde. Das Geschoß entzündete auf der Erde ein Feuer, das gleichmäßig brannte und damit die Dunkelheit der Nacht erhellte... Diese Legende zeugt davon, daß die Bogenkunst sehr alt ist und die Meister ihre Tradition pflegen.

Heute ist der Bogen in der Regel zwischen 2,10 Meter und 2,71 Meter lang. Dicke und Spannkraft unterschieden sich je nach Anforderungen und Wünschen des Schützen - Anfänger nehmen gern leichte Bogen, die Meister schwere. Oft werden die Bogen für Spezialisten extra nach deren Armmaßen gefertigt.

Europäische Zuschauer verwundert immer wieder, daß der typische japanische Kyudo-Bogen asymetrisch konstruiert ist. Dies rührt höchstwahrscheinlich noch aus vergangenen kriegerischen Zeiten, da der Schütze den Bogen nicht in der Mitte hielt, sondern über den Kopf bzw. im unteren Körperbereich. Auch spannt der japanische Bogenschütze die Sehne nicht mit dem Finger, sondern mit dem Daumen. Aus diesem Grunde tragen die Schützen einen Lederschutz an den Händen. Im Wettkampf schießen sie aus 28 Meter Entfernung auf eine im Durchmesser nur 36 Zentimeter große Papierscheibe, die keine Ringe hat.


Ohta-Lehrgang | Regelwerk