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EINWENDUNGEN IM HAFTUNGSVERFAHREN
 

Keine Haftung nach § 69 AO ohne Verschulden oder Vorsatz!

Eine Haftungsinanspruchnahme nach § 69 AO setzt nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein grob fahrlässiges Handeln voraus.

Haftung bei Beachtung rechtswidriger Satzungsbestimmungen und rechtswidriger Beschlüsse der Mitgliederversammlung

Die Schaffung einer rechtswidrigen Satzungsbestimmung, die möglicherweise nur den Zweck verfolgt, einen bloßen Haftungsvertreter einzusetzen (z.B. Benennung eines besonderen Vertreters), kann den Vorstand nicht von seinen Pflichten entbinden. Ebenso haftet der Vorstand, wenn er in positiver Kenntnis der Rechtswidrigkeit gefasster Beschlüsse der Mitgliederversammlung diese befolgt.

Falscheintragungen im Vereinsregister können nicht voll umfänglich haftungsbefreiend wirken

Unter Bezugnahme auf eine anfängliche Falscheintragung im Vereinsregister wird darauf verwiesen, dass die Eintragung des Vorstandes nur deklaratorische Bedeutung habe. Es wird jedoch übersehen, dass gerade aufgrund dieses Umstandes allein die tatsächlichen Rechtsverhältnisse maßgebend sind. Durch Bestellung und Annahme der Wahl geht der Vorstand im Sinne von § 26 BGB und § 4 der Verbandssatzung mit dem Verein einen Geschäftsbesorgungsvertrag eigener Art ein (§§ 664-670 BGB i.V.m. § 27 Abs. 3 BGB). Mit der Bestellung zum Vorstand ist der Gewählte verpflichtet, sich die für die Amtsausübung notwendigen Kenntnisse anzueignen, soweit er sie noch nicht besitzt (BFH-Urteil v. 13.01.1987 VII R 86/85 - BFH/NV 87, 550; BFH-Urteil vom 12.05.1992 VII R 52/91 - BFH/NV 92, 785). Der Tenor dieser Urteile besagt, dass bei Übernahme der Geschäftsführertätigkeit die Pflicht zur Aneignung von Kenntnissen über elementarste handelsrechtliche und steuerrechtliche Pflichten und zur Einholung entsprechender Informationen besteht. Dies gilt auch für den Nichtkaufmann-Geschäftsführer. Das die hier zitierten, für einen GmbH-Geschäftsführer geltenden, Urteile auch auf einen ehrenamtlichen Vereinsvorstand anzuwenden sind, hat der BFH in seinem Urteil vom 23.06.1998, VII R 4/98 bekräftigt, in dem er ausführt, dass der Vereinsvorstand grundsätzlich nach den selben Grundsätzen haftet wie ein Geschäftsführer einer GmbH.


 



 

Haftung auch bei fehlerhafter Auswahl eines Erfüllungsgehilfen

Ermöglicht die Satzung oder ein Beschluss der Mitgliederversammlung die Übertragung gewisser Vereinsverwaltungsgeschäfte, muss der Vorstand darauf achten, dass der Gehilfe sorgfältig ausgewählt und mit den notwendigen Instruktionen versehen wird. Für ein Verschulden dieser Hilfskräfte hat der Vorstand wie für eigenes Verschulden einzustehen (§§ 664, 278 BGB). Öffentlich-rechtliche Verpflichtungen können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen beseitigt werden. Bei Feststellungen von erheblichen Unregelmäßigkeiten in der Geschäftsführung der übrigen Vorstandsmitglieder, muss gegebenenfalls das Amt niedergelegt werden, um dem drohenden Haftungsrisiko zu entgehen (BFH-Urteil vom 19.03.1985 VII B 71/84 - BFH/NV 86/650; u.a.).

Eine rechtzeitige Amtsniederlegung kann haftungsbefreiend wirken

Wer sein Amt in Kenntnis von vorhandenen Missständen weiter ausübt, den trifft das volle Haftungsrisiko wie der BFH in seinen vorgenannten Urteilen ausführt. Nicht zuletzt ist die Haftbarkeit eines Vereinsvorstands im Urteil vom 23.06.1998 (VII R 4/98) auch für den Fall bejaht worden, wenn die steuerlichen Pflichten aufgrund eines Auftragsvertrages einer anderen Person (z. B. dem besonderen Vertreter nach § 30 BGB) übertragen worden sind. Der BFH führt in diesem Urteil ausdrücklich aus, dass die Pflichtverletzung und das für die Haftung erforderliche Verschulden nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass der Vorsitzende im Gegensatz zum angestellten GmbH-Geschäftsführer nur ehrenamtlich für den Verein tätig war und dass die Wahrnehmung aller Verwaltungsangelegenheiten des Vereins, zu denen auch die Erstellung der monatlichen Lohnsteueranmeldungen und die Abführung der von den Löhnen einbehaltenen Steuerabzugsbeträge an das Finanzamt gehört, kraft eines Auftragsvertrages an eine dritte Person übertragen worden war.

Haftung auch bei mehrgliedrigem Vorstand mit interner Aufgabenverteilung

Sind mehrere gesetzliche Vertreter einer juristischen Person bestellt, so trifft nach der Rechtsprechung des BFH jeden von ihnen die Pflicht zur Geschäftsführung im ganzen, d. h. dass grundsätzlich jeder von ihnen auch alle steuerlichen Pflichten zu erfüllen hat, die der juristischen Person auferlegt sind (BFH-Urteil vom 11.05.1962 VI 195/60 U, BFHE 75, 206, BStBl III 1962, 342, 343). Der Grundsatz der Gesamtverantwortung eines jeden gesetzlichen Vertreters verlangt zumindest eine gewisse Überwachung der Geschäftsführung im ganzen. Hieraus folgt eine solidarische Verantwortung aller gesetzlichen Vertreter für die ordnungsgemäße Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen, die der juristischen Person obliegen (BFH-Urteile vom 26.04.1984 V R 128/79, BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776; vom 17.05.1988 VII R 90/85 BFH/NV 1989, 4). In seinem Urteil vom 23.06.1998 weist der BFH zwar darauf hin, dass die hier dargelegten Rechtsgrundsätze, die sich auf die Vorschriften des § 43 Abs. 1 und 2 GmbHG stützen, auf einen Vereinsvorstand nicht unmittelbar Anwendung finden können. Dennoch kann aber grundsätzlich für den Vorstand eines Vereins, der sich als solcher wirtschaftlich betätigt und zur Erfüllung seiner Zwecke Arbeitnehmer beschäftigt, nichts anderes gelten. Hier folgt entsprechend der Grundsatz der Gesamtverantwortlichkeit aller Vorstandsmitglieder für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Vereins bereits aus § 34 Abs. 1 AO, der im Interesse der Sicherstellung der steuerlichen Pflichten der selbst nicht handlungsfähigen juristischen Person alle gesetzlichen Vertreter gleichermaßen verpflichtet, unabhängig davon, in welchem Umfang diese für ihre Vorstandstätigkeit ein Entgelt beziehen.


 

Sind mehrere Verpflichtete vorhanden, so kann im Innenverhältnis bestimmt werden, wer die Pflichten erfüllen soll (Schwarz, Abgabenordnung, 10. Aufl., § 34 Rz. 10), was aber die Haftung des nach der internen Vereinbarung für die Erfüllung der steuerlichen Angelegenheiten nicht zuständigen gesetzlichen Vertreters gemäß §§ 34, 69 AO grundsätzlich nicht auszuschließen vermag. Eine derartige Aufgabenverteilung bedarf der Schriftform.

Mangels schriftlichen Aufgabenverteilung kann die Verantwortlichkeit Ihrer Person, die im übrigen nur bei der Prüfung des Verschuldens i.S. des § 69 AO beachtlich sein könnte, nicht begrenzt werden (BFH in BFHE 75, 206, BStBl III 1962, 342, 343). Selbst bei schriftlicher Regelung der Geschäftsverteilung zwischen den gesetzlichen Vertretern gilt eine Begrenzung der Haftungsschuld auch nur insoweit und so lange, wie kein Anlass besteht, an der exakten Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen durch den hierfür zuständigen Vertreter zu zweifeln (Senat in BFH/NV 1989, 4, 6, m.w.N.).

Für eine Haftungsinanspruchnahme ist der Umfang der Pflichtverletzung zu prüfen

Bei der danach vorzunehmenden Prüfung einer Pflichtverletzung in der für die Haftung erforderlichen Verschuldensform (zumindest grobe Fahrlässigkeit) sind einerseits das nur eingeschränkte persönliche Engagement wie auch andererseits die tatsächliche Rechtsstellung und die daraus resultierenden Erkenntnismöglichkeiten des einzelnen Vorstandsmitglieds zu berücksichtigen.

Wer seine Aufsichtspflicht nicht wahrnimmt und dies, obwohl Anlass bestand, an der ordnungsgemäßen Geschäftsführung auch aufgrund erheblicher finanzieller Schwierigkeiten in der Vergangenheit zu zweifeln, setzt sich einem erhöhten Haftungsrisiko aus, da der Überwachungspflicht zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen wird. Gerade dann, wenn sich die nahende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einer Gesellschaft oder eines Vereins abzeichnet, so ist jeder gesetzliche Vertreter verpflichtet, sich um die Gesamtbelange der juristischen Person zu kümmern (vgl. BFH in BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776, 778, und Senatsurteil in BFH/NV 1989, 4, 6).

Die Steuerschuld ist erst fällig geworden, als der Verein nicht mehr zahlungsfähig war

Häufig werden Steueransprüche erst durch eine später durchgeführte Betriebsprüfung festgestellt und festgesetzt. Es wird dann häufig dahingehend argumentiert, dass die Steuerschuld damals nicht bekannt war und daher eine Haftungsinanspruchnahme nicht erfolgen könne. Abzustellen ist auf die Entstehung der Steuerschuld bzw. hinsichtlich der Lohnsteuer auf die Entrichtungspflicht. Der Primäranspruch entsteht in dem Zeitpunkt, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft - also mit Ablauf der jeweiligen Voranmeldezeiträume. Die steuerliche Festsetzung des materiell existenten Primäranspruchs wird für den Erlass eines Haftungsbescheides nicht vorausgesetzt (BFH v. 21.06.1995 - II R 7/91, BFH/NV 1996 S. 71, 72 m.w.Nw.). Es ist demgemäß unerheblich, ob eine Steuerfestsetzung vorliegt, eine vorliegende Steuerfestsetzung endgültig oder nach den §§ 164, 165 bedingt bzw. bestandskräftig oder angefochten ist (AO, Dumke Rz. 10, 11 zu § 191 AO). Einzig bedeutsam und haftungsbefreiend könnte wirken, dass die Steuern nicht während der Amtszeit des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds entstanden sind.

Die Steueransprüche sind zu hoch geschätzt worden

Nur wenn das betreffende Vorstandsmitglied gegen die der Festsetzung zugrunde liegenden Steuerbescheide nicht Einspruch einlegen konnte, können auch im Haftungsverfahren Gründe gegen die Höhe der Steuerfestsetzung selbst vorgetragen werden. Andernfalls hat das Vorstandsmitglied die Steuerfestsetzung gegen sich gelten zu lassen (§ 166 AO).

Haftungsinanspruchnahme auch bei Zahlungsunfähigkeit des Haftungsschuldners möglich

Der Gesetzgeber hat dem Finanzamt aufgegeben, sämtliche nach den Gesetzen zur Einziehung rückständiger Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis möglichen Maßnahmen ohne Verzögerung zu ergreifen. Deshalb ist es grundsätzlich ermessensgerecht, die Möglichkeit der Haftungsinanspruchnahme wahrzunehmen.

Im übrigen kann der Erlass eines Haftungsbescheides bei Uneinbringlichkeit der den Haftungsansprüchen zugrunde liegenden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis im Hinblick auf die dem Steuergläubiger obliegende Aufgabe, die geschuldeten Abgaben nach Möglichkeit vollständig und ohne Verzug zu erheben, nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen ermessensfehlerhaft sein (BFH-Urteil vom 29.09.1987 VII R 54/84 - BStBl II 1988 S. 176 ff).

Soweit gegen die Haftungsinanspruchnahme vorgebracht wird, der Haftungsbetrag könnte auf absehbare Zeit nicht gezahlt werden, da der Haftungsschuldner nur über ein geringes Einkommen verfüge und die Heranziehung zur Haftung könne daher nicht ermessensgerecht sein könne ist folgendes anzumerken:

In der Regel führen schlechte Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Haftungsschuldners nicht dazu, dass der Erlass eines Haftungsbescheides ermessensfehlerhaft wäre. Diese Verhältnisse sind ebenso wie das Alter und andere persönliche Verhältnisse des Haftungsschuldners grundsätzlich nicht beim Erlass des Haftungsbescheides, sondern erst im Erhebungs- und Vollstreckungsverfahren (Erlass, Stundung, Vollstreckungsaufschub) zu berücksichtigen. Die Inanspruchnahme des Haftenden wäre selbst dann nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Voraussetzungen für einen Billigkeitserlass (§ 227 AO) gegeben wären. Das Finanzamt ist deshalb nicht verpflichtet, vor Erlass des Haftungsbescheides die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Haftungsschuldners zu überprüfen (BFH-Urteil vom 02.10.1986, BFH/NV 1987 S. 349 m.w.N.)

Im übrigen ist die Verwirklichung des vorliegenden Haftungsbescheides - zumindest teilweise - keinesfalls ausgeschlossen. Zum einen ist im Hinblick auf eine möglicherweise noch Jahre andauernde nichtselbständige oder möglicherweise sogar selbständige Tätigkeit eine Erhöhung der Einnahmen des Haftungsschuldners nicht ausgeschlossen, zum anderen wird diesem nach Wegfall der derzeitigen Verpflichtungen ein höheres Nettoeinkommen zur Verfügung stehen.


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